
Light our Vision 2025 – schön aber bieder
Klar war das LOV – Das Lichtkunstfestival vom 24.-27.9.2025 im Kulturhauptstadtjahr schön. In lokalen Medien war auch viel über die „Vision“ zu lesen, die die Werke vermitteln wollten und auch entsprechende Begeisterung zu den Lichtinstallationen fand sich. Sogar die Choreografien und tontechnische Begleitung wurden sehr gelobt. Entsprechend waren auch die eigenen Erwartungen beim Besuch. Diese wurden aber nur teilweise erfüllt.
Mein Maßstab bei diesen „Lichtkunstevents“ stammt von der „Fountains Closing Ceremony“ im Peterhof (bei Sankt Petersburg) 2014. Hier ein Eindruck des Events aus 2013 auf Youtube:
Obwohl ich die ca. einstündige Gesamtshow 2014 noch deutlich beeindruckender fand, gibt auch dieses Video einen Eindruck zum Maßstab, den ich in 2025 in C2025 für gerechtfertigt halte, hinsichtlich Choreografie und Potentialen der Lichtkunst (auch ohne Feuerwerk).
Ich hatte meine Fragezeichen, warum man Angestellte der Chemnitzer Stadtverwaltung nach Costa Rica geschickt hat, um etwas über klimafreundliche Bepflanzung der Stadt zu lernen (INTERLACE Projekt) aber ein vorheriger Besuch z.B. der „Fountains Closing Ceremony“ vom Peterhof durch LOV-Beteiligte wäre wahrscheinlich hilfreich gewesen.
Doch nun zur „Light Our Vision“ (LOV) im Einzelnen:
Hauptbahnhof Chemnitz
Insgesamt war die Lichtshow am Bahnhofsgebäude optisch recht schön. Die Gesamtidee einer Story rund um die Dampfloks von Richard Hartmann passte und bot großartiges Potential für eine tolle Umsetzung und Choregrafie. Herausgekommen ist aber „Bildungsfernsehen auf dem Bahnhofsgebäude“, hübsch anzusehen und informativ, wenn man die Chemnitzer Geschichte nicht so gut kennt. Aber der Stil war „emotionsarmer Geschichtsunterricht“. Der Text war eher „belehrender Vortrag für die Grundschule“. Wieviel Emotion hätten die Themen um Gießereien, Heizräume in Dampfloks, Industriearbeit, staubige, verschwitzte Körper bei harter Arbeit usw. geboten … Leider wurde diese Chance, der Schaffung eines „LichtKUNSTwerks“ verpasst. Herausgekommen ist handwerklich solide Arbeit im Bildungsstil.
(siehe oben, zum Vergleich die „Fountains Closing Ceremony“ vom Peterhof von 2013)
Universitätsbibliothek (Aktienspinnerei am Busbahnhof)
Auch hier war das Thema der Chemnitzer Industriekultur gut gewählt und hatte Potential. Aber auch hier hatte man das Gefühl, das Thema war vorgegeben und wurde dann „pflichtbewusst“, handwerklich „ok“ … aber ohne Begeisterung und tiefere Emotionen (sich in die Zeit hineinzuversetzen) umgesetzt. Einige „EKG-Kurven“ erinnerten an das Bild an der VW-Motorenfabrik (Kauffahrtei). Die begleitende Musik klang wie billige „eiapopeia“ Wohlfühl-Hintergrundmusik aus irgendeiner freien Musikquelle (KI hätte es mit vernünftigen Quotes wahrscheinlich besser hinbekommen). Es entstand auch an der Universitätsbibliothek kein tiefer nachhaltiger Eindruck. Es gab keine wirklichen Gänsehautmomente (wie 2014 zur „Fountains Closing Ceremony“ bestimmt die Hälfte der Zeit). Auch hier wurden deshalb die Chancen der Chemnitzer Industriekultur großteils vertan oder zumindest nicht annähernd ausgereizt. Schade.
Schillerplatz
Die „Leuchtkugel im Nebel“, die „Selfie-Spielkarten“ und die abstrakte Lichtprojektion auf den Bäumen, waren die Hauptattraktionen auf dem Schillerplatz. Im rötlichen Licht der Nebelkugel konnte man tatsächlich in tiefere Gedanken versinken und sogar einen leichten Gänsehautmoment spüren, wenn man sich ganz aus der Nähe hinein vertiefte und die Umgebung vergaß. Die „Selfi-Spielkarten“ kamen bei den Besuchern gut an, um etwas im eigenen SM-Umfeld (Social Media Kanal – z.B. WhatsApp, Insta etc.) zu posten. Als „Selfi-Installation“ war das eine gute Idee und Umsetzung. Aus der Lichtprojektion auf die Bäume inkl. begleitender Musik wäre deutlich mehr herauszuholen gewesen, als nur „ganz nett/hübsch“. Ein paar herumlaufende, hier „beleuchtete“, Fabelwesen gehören inzwischen zum Standard vieler Feste … weil es das Flair direkt zwischen die Besucher transportiert. Das hat auch hier bei LOV funktioniert (sind über das gesamte Veranstaltungsgebiet „gewandert“). Etwas neues Kreatives war damit nicht verbunden, aber es war hübsch und belebend, also durchaus berechtigt.
Theaterplatz (mit Oper)
Hauptprojektionsfläche für die „Mechanical Opera“ war das Opernhaus. Ja, „fliegende Schmetterlinge“ und die fließenden „Collage-Visionen“ waren inspirierend und fesselnd … für ein Paar Minuten (also ca. 2 min.) Mehr Abwechslung zwischen ruhigen und intensiven Phasen, sowohl bei grafischer Visualisierung, aber insbesondere bei der Musik, hätten eine deutlich spektakulärere und einprägsamere Wirkung erzeugt. So ist ein „ganz schön“ geblieben. Aber es hat sich nichts bleibend in die Erinnerung eingebrannt.
Marienplatz (hinter „Parteisäge“)
Der „vielleicht Platz“ der fiktiven Niners Arena mit umliegendem Sportpark á la „Konkordiapark“ sollte neue Konzepte und Visionen für diesen Platz und die Stadt visualisieren, im Zusammenspiel mit der „Stadtgesellschaft“. Das konnten die mehreren kleineren Installationen durchaus verdeutlichen. Hier war es ok, dass es mehr um die Visualisierung des Anliegens, als um tiefe künstlerische Eindrücke ging. Gespannt war ich auch auf die Entwürfe der Studenten für diesen Parkplatz hinter der Parteisäge im „Open Space“ hinter dem Marxkopf. Ich hatte im Vorfeld soviel über den Bilbao-Effekt in lokalen Medien gelesen (nachdem ich mehrfach in den letzten Jahren in Bilbao war – meist auf der Durchreise nach Donostia), dass ich auf die Entwürfe gespannt war, zudem das Projekt wohl 200 Mio. Euro (also realistisch in Deutschland wohl eher 400-500 Mio.) kosten soll, wobei sich wohl 50% der Kosten einsparen ließen, wenn die Utopien und ausufernden (grenzenlos übertriebenen) Forderungen des Chemnitzer Umweltamtes eingeschränkt würden. Man konnte im „Open Space“ zwischen den Entwürfen abstimmen. Wirklich überzeugt hat mich allerdings Keiner, schon gar nicht, wenn man den „Bilbao-Effekt“ Anspruch hat. Kein Konzept greift die 5- oder 6-eckigen Strukturen der Innenstadt (Stadthalle, Pentagon) oder auch nur die eckigen Strukturen der Parteisäge auf. Es gibt keinen Entwurf einer wirklichen Synergie (Einbeziehung der „Parteisäge“ in die Halle). Selbst zum Gesamtkomplex passende „eckige Strukturen“ gibt es nicht als wirklich überzeugenden Entwurf. Allerdings gibt es einige Vorschläge zur „Dopplung“ des Konkordia-Parks.
Ein „geiles“ Gesamtkonzept (unter Reduktion der Umweltamt-Anmaßungen) könnte wirklich sinnvoller sein, als eine neue Arena am Eissportkomplex, die nur 1/4 kostet, auch einen Glasboden hat und dafür auch mit PKW viel besser erreichbar ist. Aber das „geile Gesamtkonzept“ mit angemessenen Umweltauflagen ist im „Open Space“ hinter dem Nischl bisher noch nicht zu erkennen.
Marxkopf – Nischl
Die „Dreams in Color“ Installation auf dem Marxkopf, „asiatische Popkultur“ an der Grenze zum Kitsch, konnte mich nicht überzeugen. Außer „schön Bunt“ und einem „K-Pop“ Vergleich konnte ich dieser Installation nichts besonderes entnehmen. Auch die etwas abwechslungsreichere Musik war letztlich zu „rund“ und „geschliffen“ um den Eindruck irgendwie bleibend zu verstärken. Mit einer konsequenten Choreographie aus „buntem Kitsch“ und konsequent unterstützender Audio-Unterstützung (Musik), wäre aber auch bei diesem Konzept deutlich mehr möglich gewesen.
Roter Turm und Stadthallenpark
Die Projektion spielte vor allem mit dem Wasser des Springbrunnens und fabelhaften Visionen und Wesen auf der Projektionsfläche des Roten Turmes. Das war schön, etwas mystisch und auch Musik und Projektion passten ganz gut zusammen. Meiner Meinung nach waren diese „Dissolving Boundaries“ der gelungendste Teil der LOV, gemessen am Potential, was die anderen Ideen eigentlich hatten und teilweise sehr, sehr deutlich verfehlten.
Fazit:
Es war schöner Abend in der Chemnitzer Innenstadt. Diese Lichtinstallationen sind einfach schön, mit ihren audiovisuellen Möglichkeiten. Aber gemessen an den Ansprüchen, die im Vorfeld sehr selbstbewusst kommuniziert wurden, war das Ergebnis, verglichen mit dem eigenen Maßstab („Fountains Closing Ceremony“ im Peterhof bei Sankt Petersburg, 2014) doch eine Enttäuschung. Dabei waren gute Ideen mit Potential (Hauptbahnhof, Unibibliothek und Opernhaus) vorhanden. Das wirklich Mitreißende, was sich in die Erinnerung und Emotionen einbrennt, hat allerdings gefehlt. Das war etwas schade.
Zu den (fehlenden) Bildern:
Leider wurden ja alle Initiativen zu „freien Bildern“ von Chemnitz, egal ob als „Mikroprojekt“ oder als C2025-Projektidee (siehe C2025-Vorschlag) vom C2025-Team (wie schon vom Vorgänger-Team) „gecancelt“. So ist es auch nicht verwunderlich, dass bis jetzt noch keine „freien Bilder“ zum LOV 2025 verfügbar sind (deshalb hier keine aktuellen Bilder).
Zum Schluss in eigener Sache:
Melden Sie sich für den Newsletter von „lebenswertes Chemnitz“ an und bleiben Sie bei wichtigen Themen auf dem aktuellen Stand.
Dieser Beitrag ist eine persönliche Meinung, mit entsprechenden Argumenten und Schlussfolgerungen. Bilden Sie sich Ihre eigenen Meinung. Der Beitrag „Desinformation (Fake News) aufdecken und einordnen“ (aus dem Wissensmanagement MOOC) vermittelt dazu sehr nützliches Wissen. Auch der Impulsvortrag „Wahr oder Falsch“ des Wissensgartens gibt dazu sinnvolle Impuls.